Konzeptioneller Ansatz

PlakatFranz Schuberts populärstes Streichquartett d-moll D. 810 "Der Tod und das Mädchen" wurde zu seiner Zeit kritisch aufgenommen: Es war - Programmmusik. Das Sujet entstammte einem außermusikalischen Themenkreis, die Komposition galt nicht als "rein". Aus heutiger Sicht kann man das als eine Vorstufe zu einem Cross-Over-Projekt sehen: scheinbar unvereinbare künstlerische Disziplinen begegnen und durchkreuzen sich, auf der Suche nach dem noch nie da gewesenen Zwischenton, nach der ungehörten Interferenz.

In diesem Sinne "programmatisch" sucht das Projekt die Berührung mit Schuberts Komposition mit Hilfe einer performativen Situation. Auf der Bühne treffen zwei Spieler (Puppenspieler, Schauspieler, Entertainer) auf ein klassisches Streichquartett (Violine, Violine, Viola, Violincello). Das "Material" bietet Schuberts komplette musikalische Komposition. In Einklang und Opposition dazu steht das Thema Vanitas, die Vergänglichkeit: eine Vielzahl assoziativer und thematischer Theaterversatzstücke, Bilder, Fragmente, Visualisierungen aus Klischees und Gegen-Klischees, Puppentheaterfetzen und Schauspielskizzen. Der Tod und das Mädchen treten in immer neuen Spielarten antagonistischer Paarungen auf: als Body-Art-Künstler und Muse, als Gerippe und Fleisch, als alter Mann und junge Frau, als Entertainer und Nummerngirl, als Puppe und Mensch.

Besonderes Anliegen ist dabei nicht, die Disposition des Elegischen/der Tradition des Requiems in d-moll zu erfüllen, sondern dieses teils affirmativ, teils direkt subversiv zu hinterfragen. Was passiert, wenn das Mädchen, vor Lebendigkeit strotzend, den Tod vereinnahmt? Warum können vitalste Lebensentäußerungen oder -konzepte plötzlich ins Tödliche kippen? Warum wird der Tod so oft als Allegorie des sensenschwingenden Knochenmanns und damit vom Leben abgetrennt dargestellt? Was bleibt von dieser Allegorie übrig, wenn das Gegenüber plötzlich erkennt, dass es den Tod in sich trägt? Wird der Tod dann zum Gehilfen? Ist er ein Entertainer, vielleicht in einem erbärmlichen Vorstadtcabaret? Ist er inzwischen müde geworden? Ist Schuberts Komposition sein Aufputschmittel? Auf welche Unsäglichkeiten des Denkens, Spielens, Zuschauens und Zuhörens muss man sich einlassen? Was für einer Gegenwart will man sich hingeben?

Schuberts Komposition wird live gespielt: fast komplett, aber immer wieder unterbrochen, retardiert, in Sequenzen wiederholt, in Momenten der Wirkung auf einen bestimmten Affekt hin untersucht.- parallel zu den Momenten der beiden Schau-/Puppenspieler, deren Spiele nicht hermetisch sind, sondern "aufgebrochen", als visualisierte Assoziation zu Schuberts Musik geschehen. Der "Erhabenheit" der Schubertschen Musik wird dabei durchaus ein ebenso lebens- wie todesnaher, nicht ins poetische abschweifende Text entgegengesetzt: hilflos, hysterisch, pathetisch, bewusst eine Irritation erzeugend, die die Gefühlswelt und das bewusste Denken an anderen Stellen berührt als die Musik mit ihren starken Mitteln schon zu tun weiß. Das Projekt ist eine Collage, die ein musikalisch-visuelles Kaleidoskop des Lebens in Begleitung des Todes ergibt. Darin flackert deutlich das Todes- und Vanitasmotiv in permanenter Metamorphose befindlich auf.

Ausstattung

Ausgehend von der Idee, dass eine Vermählung einander so unterschiedlicher Welten wie Schuberts Partitur mit sehr heutigem Theaterspiel nur in der Suche nach Brüchigkeit, Transparenz und Öffnung beider füreinander möglich wird, verfolgen wir das Fragmentarische auch in der Gestaltung des Bühnenraumes, der Puppen und Kostüme.

Durch eine Rückwand begrenzt wird die Hauptspielfläche in der Mitte von bürgerlich-biedermeierlich anmutenden Elementen, von einer Patina des Vergangenen als auch von Post-Pop-Elementen assoziativ aufgeladen.

Seitlich beigestellt sind kleinere Nebenbühnen, die wie veröffentlichte Garderobenräume wirken. Rechts feiert sich das Theater am überladenen Schminktisch, links haben die Musiker ihren optisch klaren und kargen Ausgangsort.